Ich erreiche Amelie Falke und Mathias Nösel, als sie in ihrem Van gerade auf einer Raststätte bei Vechta eine Pause machen. Wir sprechen per Facetime, ein LKW fährt gerade an ihnen vorbei und im hinteren Teil des Fahrzeugs sieht man, dass der Van voll mit Möbeln und Kisten beladen ist. Sie haben gerade ein kleines Lager aufgelöst, in dem sie für ein Jahr Dinge aus ihrer alten Wohnung untergebracht haben. Sie sind auf dem Weg nach Bochum, um die Eltern von Amelie zu besuchen und die Gegenstände dort unterzubringen.
Ein Jahr wurden die Dinge eingelagert, nachdem Amelie und Mathias ihre Wohnung in Hamburg gekündigt haben, um sich eine einjährige Auszeit zu nehmen. "Nach dem Abitur habe ich direkt studiert, bin dann für vier Jahre in eine PR-Agentur gegangen und habe schnell Verantwortung übernommen. Letztes Jahr war dann der richtige Zeitpunkt für eine Pause gekommen", erzählt uns die 28-Jährige. Auch Mathias, der 35 Jahre alt ist und als Art Director arbeitet, sah die Zeit für eine Auszeit gekommen. Da Mathias selbstständig ist, musste er seinen Job jedoch nicht kündigen, sondern hat erstmal keine weiteren Projekte angenommen.
"Es war auf jeden Fall ein Sprung ins Unbekannte", erinnert sich Amelie. Der Plan sah so aus: Einen gebrauchten Van kaufen, den auszubauen und dann für ein Jahr quer durch Europa zu fahren. Dafür kalkulierten sie 15.000 Euro für das Fahrzeug ein und weitere 15.000 für den Ausbau.
Doch es sollte deutlich teurer werden. Der Transporter hat am Ende 16.000 Euro gekostet und lag damit ungefähr im Rahmen. Allerdings haben sie für den Ausbau, den sie vom Sommer 2020 bis 2021 durchführten, 25.000 Euro ausgeben müssen – obwohl sie fast alles selbst einbauten. Wie Bett, Herd und Dusche eingebaut werden, haben sie sich mit Hilfe von Youtube-Videos beigebracht.
"Wir waren ziemlich stolz, dass wir das hinbekommen haben", sagt Amelie und Mathias ergänzt: "Wir haben ein Waschbecken, eine Dusche, eine Trockentrenntoilette, ein Gaskochfeld, ein 1,40 Meter breites Bett und ein Luftfederfahrwerk, um Schräglagen auszugleichen."
Dass sie 10.000 Euro mehr ausgegeben haben, als sie vorher einkalkuliert hatten, habe an dem Camping-Hype während der Coronapandemie gelegen. Damals seien die Preise in der Branche erheblich gestiegen. "Auch die Preise für Holz sind während Corona stark gestiegen", sagt Mathias. Das habe den Ausbau deutlich verteuert, da der Transporter von innen mit Holz verkleidet ist.
Aber schon zu Beginn der Reise sind ihnen weitere Dinge aufgefallen, die fehlen würden. So bauten sie eine zweite Batterie ein, da die bislang einzige allein nicht lang genug hielt. Mit einer Solaranlage auf dem Dach können sie jetzt bis zu fünf Tage autark reisen. Die Herdplatten werden mit Gas betrieben. Eine Fünf-Liter-Flasche Gas reiche für rund drei Monate. Wasser bekomme man als Camper fast überall kostenlos.
"Man muss dazu aber auch sagen, dass es schon eine Art Luxus-Camper ist, den wir haben", sagt Amelie. Viele Dinge, wie beispielsweise Warmwasser, brauchten viele nicht. "Aber wir wussten ja, dass wir nicht nur ein paar Wochen unterwegs sind, sondern vorerst auf unbestimmte Zeit im Van leben und auch von hier aus arbeiten würden."
Im Sommer vor einem Jahr begann dann die Reise. Zuerst ging es in die Toskana, bevor sie nach Sardinien mit der Fähre übersetzten. Danach nach Barcelona und von dort nach Mallorca. Dort gefiel es ihnen so gut, dass sie gleich drei Monate blieben. Für die Weihnachtszeit fuhren sie dann zurück nach Deutschland, wo sie ihre Familien besuchten. Die vorerst letzte Etappe war dann eine Reise über Dänemark nach Schweden und Norwegen. "Mein Highlight war definitiv Skandinavien. Auf den Lofoten hatte man ein richtiges Abenteuer-Feeling", erinnert sich Mathias.
Doch was kostet es überhaupt, in einem Van zu leben? "Pro Person haben wir 1500 bis 2000 Euro im Monat ausgegeben. Finanziert haben wir uns durch unsere Ersparnisse", erklärt Amelie. Darin seien jedoch alle Lebenshaltungskosten, Sprit, Maut und Autoversicherung enthalten. Die genauen Kosten hingen aber auch stark davon ab, in welchem Land man gerade unterwegs sei. Besonders teuer sei es in Skandinavien gewesen.
Der größte Kostenpunkt auf der Reise sei das Benzin gewesen, was sich nochmal deutlich durch die seit Februar stark gestiegenen Spritpreise verschärft habe. "Dafür warten wir gerade nicht auf eine hohe Nachzahlung von Strom und Heizen", scherzt Mathias.
"Ich glaube nicht, dass wir durch das Leben im Van etwas sparen, vielmehr haben sich die Lebenshaltungskosten im Vergleich zu Hamburg erhöht", erklärt Amelie. Dort wohnten die beiden in einer kleinen Wohnung, für die sie 850 Euro Miete zahlten.
Um die Kosten zu minimieren, hätten die beiden Campingplätze gemieden, erklärt Mathias: "Mir gefiel es sowieso immer am besten, mitten in der 'Prärie' zu stehen." Sie hätten dabei aber streng darauf geachtet, keine Einwohner zu stören und nur an Orten zu campen, an denen es auch wirklich erlaubt gewesen ist.
"Aber wir haben nicht immer nur an Traumstränden übernachtet. Oft standen wir auch einfach an der Straße oder auf einem McDonalds Parkplatz", sagt Amelie. Die McDonalds-Parkplätze wären besonders beliebt gewesen, denn "dort gab es immer kostenloses Wlan".
Ein weiterer Kostenpunkt sei die Verpflegung gewesen. Kochen auf zwei Herdplatten in einem Transporter funktioniere gut, "aber wir sind auch oft essen gegangen. Das gehört für mich dazu, wenn man die Kultur eines Landes erleben will", sagt Amelie. Man könne natürlich auch deutlich günstiger in einem Van leben, sagen die beiden, doch durch ihre Ersparnisse hätten sie sich den Lebensstil auf der Reise leisten können.
Nachdem Amelie und Mathias ein Jahr in einem Van gelebt haben, ziehen sie ein nahezu ausschließlich positives Fazit. Gefehlt habe ihnen trotzdem etwas. "Man braucht zwar nicht viel, wenn man mit einem Van reist, aber was wir definitiv vermisst haben, waren unsere Familie und Freunde. Die hat man sonst immer so selbstverständlich um sich", sagt Mathias.
Trotzdem hat den beiden das Leben im Van so gut gefallen, dass sie vorerst nicht daran denken, sich eine Wohnung zu mieten. Jetzt wollen sie erstmal von unterwegs aus arbeiten und sich die Weiterreise so finanzieren. Wohin es nach dem Stopp in Bochum geht, wüssten sie allerdings noch nicht. Vielleicht nach Spanien oder Portugal.
Disclaimer: Dieser Artikel erschien zuerst am 18.09.2022. Er wurde im September 2024 erneut veröffentlicht.