FTI TOURISTIK : BUNDESREGIERUNG LEHNT SCHULDENERLASS FüR REISEANBIETER FTI AB

Beim geplanten Erwerb des finanziell angeschlagenen Reiseveranstalters FTI muss der US-Investor Certares auch die drückende Schuldenlast übernehmen. Das erschwert die Rettung.

Der designierte Erwerber von FTI Touristik, die US-Investmentfirma Certares, bleibt wohl komplett auf den rund eine Milliarde Euro umfassenden Schulden des finanziell angeschlagenen Urlaubsveranstalters sitzen. Das erfuhr das Handelsblatt am Mittwoch im Anschluss an eine Sitzung des Bundestag-Tourismusausschusses.

Zwar tagten die Parlamentarier in einer geheimen Sitzung. Vor Sitzungsbeginn aber hatte das Bundesfinanzministerium den Abgeordneten in einem Bericht mitgeteilt, dass es nicht beabsichtige, die Rückzahlung der Stabilisierungsmaßnahmen zu erlassen.

„Damit fällt der Schuldenschnitt aus, falls sich die Berichte bestätigen“, sagte Anja Karliczek, tourismuspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, auf Anfrage dem Handelsblatt. Zuvor hatte sich Certares nach Angaben aus der Branche um einen solchen Schuldenerlass in Berlin und Brüssel für den Tourismuskonzern bemüht, der bislang mehrheitlich der ägyptischen Milliardärsfamilie Sawiris gehört.

In Kreisen des Bundesfinanzministeriums hieß es dazu: „Der Bund befindet sich aktuell in Gesprächen mit dem Unternehmen und dem zukünftigen Investor zum Umgang mit den erfolgten Stabilisierungsmaßnahmen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF).“ In Frage komme hierbei auch ein Verkauf der sich aus den Maßnahmen ergebenden Forderungen zum Marktpreis. „Verluste des Bundes sind dabei nicht auszuschließen“, hieß es im Ministerium.

FTI: Teure Rettung durch den Staat

Der europaweit drittgrößte Reiseveranstalter, auch das ist dem jüngsten FTI-Geschäftsbericht zu entnehmen, hatte während der Pandemie auf Staatskosten nachrangige Kredite des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) über knapp 600 Millionen Euro in Anspruch genommen. Nur einen kleinen Teil davon tilgten die Münchener bislang. Zudem bürgten der Bund und das Land Bayern für Darlehen in Höhe von rund 250 Millionen Euro bei der Unicredit.

Erst Anfang vergangener Woche hatte FTI-Chef Karl Markgraf für den finanziell angeschlagenen Urlaubsveranstalter eine rosige Zukunft durch die neue „Partnerschaft“ verkündet. „Mit der Unterstützung von Certares und seiner umfangreichen Erfahrung auf diesem Sektor sowie dem vom Konsortium bereitgestellten Kapital ist FTI in einer einzigartigen Position“, schwärmte er in einer Pressemitteilung. Konkrete Nachfragen ließ er unbeantwortet.

Laut einem Schreiben an die Geschäftspartner, das dem Handelsblatt vorliegt, könnte es bis zu einer Rettung jedoch noch ein längerer Weg werden. Die Rede ist nun nur noch von einem „Investment Agreement“. Den endgültigen Vertragsabschluss werde es „vermutlich Ende des Sommers“ geben, teilt Markgraf aus dem Englischen übersetzt in seinem Brief mit. Zu diesem Closing-Termin würden dann „erwartungsgemäß bis zu 125 Millionen Euro ins Geschäft fließen“.

Dabei ist FTI bereits jetzt, wie aus dem Schreiben hervorgeht, bei einigen Hoteliers im Verzug. „Unsere Zahlungsverzögerungen haben sich in den letzten paar Monaten schrittweise verbessert“, gibt Markgraf dies in der als „Partner Communication“ titulierten Unterrichtung indirekt zu.

Hoteliers warten aufs Geld

Den Vorwurf nicht fristgerecht bezahlter Rechnungen hatte FTI bislang stets zurückgewiesen. In einem Schreiben an FTI-Urlauber hatte neulich ein Hotelier im ägyptischen Safaga am Roten Meer gedroht, ihnen die angeblich unbezahlten Übernachtungskosten in Rechnung zu stellen. „Wir haben bereits mehrfach versucht, die Zahlungen für Ihren Aufenthalt von der Firma zu erhalten, jedoch ohne Erfolg“, schrieb er ihnen. Es handele sich „um eine missverständliche Auslegung unserer derzeitigen Geschäftsbeziehungen mit dem Hotel“, hieß es anschließend offiziell bei FTI.

Bislang hatten FTI und der designierte Erwerber Certares ihre Informationen zum beabsichtigten Deal wolkig gehalten. Bekannt wurde allein: Bei einem Kaufpreis von einem Euro soll der US-Investor zusammen mit „weiteren Kapitalgebern“, die ungenannt bleiben, eine Kapitalspritze von 125 Millionen Euro in Aussicht gestellt haben. Einen Zeitpunkt dafür nannten die Verhandlungspartner auf Anfrage nicht. „Der derzeitige Anteilseigner“, hieß es weiter, habe sich außerdem „bereit erklärt, finanzielle Unterstützung und weitere Investments zu leisten“.

Eine konkrete Summe blieb FTI jedoch ebenso schuldig wie die Antwort auf die Frage, ob durch den geplanten Zufluss die Überschuldung des Konzerns zurückgeführt würde. Der jüngste Geschäftsbericht für 2022 hatte eine Lücke beim Eigenkapital in Höhe von 283 Millionen Euro offenbart.

Vertriebspartner wackelt

Neben der ägyptischen Milliardärsfamilie Sawiris, die als Hauptgesellschafter 75,1 Prozent an der FTI Group hält, ist der Firmengründer Dietmar Gunz gemeinsam mit seiner Ehefrau Roula Jouny an dem finanziell angeschlagenen Konzern beteiligt. In Branchenkreisen heißt es, Gunz sei bei den Verkaufsgesprächen zunächst nicht gefragt worden.

Der Reisebüroverband VUSR zeigt sich ohnehin skeptisch, ob die Übernahme durch den US-Investor den bislang vorwiegend durch preisaggressive Angebote gewachsenen Urlaubsanbieter am Ende retten wird. „Durch den Hauptgesellschafter Sawiris gab es bislang eine direkte finanzielle Verbindung zwischen FTI und der Reisebürokooperation RTK“, sagt die VUSR-Vorsitzende Marija Linnhoff. Dieser Verbund werde nun wahrscheinlich durch den FTI-Verkauf gekappt.

„Wenden sich die rund 7000 RTK-Reisebüros nun von dem Münchener Unternehmen ab“, glaubt Linnhoff, „drohen FTI echte Probleme beim Vertrieb.“

Erstpublikation: 25.04.2024, 11:01 Uhr.

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